tr?id=594458282619573&ev=PageView&noscript=1 THK Verlag | Kirchenkoboldgeschichten

Kirchenkoboldgeschichten

ISBN: 978-3-945068-49-6

19.90€

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„Rummms!“, die große schwere Kirchentür fiel ins Schloss und kaum hörte man das Klack-Geräusch, welches der Schlüssel verursachte, da schaute ein neugieriges Wesen aus seinem Versteck – Klein-Siegfried.

Klein-Siegfried war, wie der Name bereits sagt, noch klein. Seine Haut hatte eine grüne Farbe, so wie die jungen Buchenblätter im Mai und seine kleine spitze Nase schaute keck aus seinem Gesicht. Auf seinem Kopf wuchs eine einzelne hochstehende rote Locke. Er war ein junger Kobold, der mit all den anderen Kobolden in der Liebfrauenkirche hauste.

So beginnt die Geschichte um Klein-Siegfried und seine Freunde. Wohlbehütet und geschützt vor den Blicken der Menschen – denn der Blick eines Menschen lässt sie zu Stein werden – leben sie in einer wunderschönen alten Kirche.

Während die älteren Kobolde für Ordnung sorgen, erkundet Siggi, so wird er von allen genannt, neugierig die Kirche. Da gibt es viele Gänge mit unzähligen Räumen, die von Glühlichtern beleuchtet werden. Hinter  Türen mit seltsamen Zeichen gibt es eine Menge Bücher und die „Schätze“ der Kobolde. Aber auch ein „gefährliches Monster“ mit Namen Rumpelbag haust hier, der ein guter Freund Siggis wird.

Die Welt außerhalb der Kirche ist nicht ohne Gefahr, nur gut, dass es Hugo das Gespenst gibt, denn unter seiner Hülle wird alles unsichtbar. In dieser Welt gibt es viel zu erleben. Einmal im Jahr regnet es Süßigkeiten und es gibt Nester mit Schokoladen-eiern. Manchmal singen furchtbare Sängerinnen oder es schlägt ein Blitz im Turm ein. Bei abenteuerlichen Ausflügen kann man im nahen Rathaus wunderschön seinen Unfug treiben, aber auch Socken von Wäscheleinen stibitzen. Auf dem Dach der Kirche kann man in klaren Nächten die Sterne beobachten, von den Türmen aus keck nach unten spucken und vieles mehr.

Jede Geschichte ist liebevoll von Dagmar Lüke illustriert.

Mit diesen Geschichten gewann die Autorin Evelyn Günther 2021 den Arnstädter Literaturpreis in der Kategorie Kinderbücher.

Der Blitzeinschlag

Es war ein Samstagabend, als die Kobolde auf die Türme geklettert waren, um den Blick über die Stadt zu genießen. Die einen in den Südturm und die anderen in den Nordturm, obwohl es im Kirchenschiff viel angenehmer war. Dort oben saßen sie nun, winkten sich gegenseitig zu oder schnitten Grimassen. Wie klein doch die Menschen von hier oben aussahen. „Wenn die wüssten, was wir hier für eine tolle Aussicht haben“, bemerkte ein quietschgelber Kobold, „dann würden die alle auf unsere Türme klettern.“
„Dann hätten wir überhaupt keine Ruhe mehr. Nee, die sollen mal schön da unten bleiben bei ihren stinkenden Kisten“, gab ein anderer zur Antwort, der Grummelnuss genannt wurde. Seine Haut sah aus wie die Schale einer Walnuss und er nörgelte ständig an irgendetwas herum.

Klein-Siegfried und Gänseblümchen ließen sich davon nicht stören. Gänseblümchen wurde so genannt, weil ihre Haut aussah wie eine Gänseblümchenwiese und ihre Haare leuchteten wie die Sonne. Beide saßen auf dem Fenstersims und spuckten den Turm hinunter. „Ist Koboldspucke schneller oder langsamer als Menschenspucke?“ Klein-Siegfried zuckte mit den Schultern und antwortete: “Weiß ich nicht. Aber die haben bestimmt mehr Spucke als wir, die sind ja auch viel größer.“

10 „Lass uns doch mal gleichzeitig spucken, Siggi. Mal schauen, wer die schnellste Spucke von uns beiden hat!“ Gänseblümchen hatte immer so tolle Ideen. Sie zählte laut eins, zwei und drei und schon spuckten sie gleichzeitig den Turm hinunter. Nur dumm, dass gerade eine Krähe vorbeiflog und die beiden Tropfen abbekam. Ganz aufgeregt flog sie auf den Fenstersims und schüttelte sich: “Kra, kra, fängt’s schon an zu regnen?“ Doch die beiden Kobolde kicherten und die Krähe schielte missmutig zu ihnen rüber. „Wie könnt ihr mich nur erschrecken? Ich dachte, das Unwetter geht schon los. Pfui, Koboldspucke. Das klebt fürchterlich in den Federn, pfui.“

„Was für ein Unwetter?“, fragte ein anderer Kobold: „Ich sehe nur ein paar wunderschöne Wolken.“

„Kra? Wunderschöne Wolken? Könntest du fliegen so wie ich, dann würdest du sehen, dass sich da was Böses zusammenbraut. An eurer Stelle würde ich schleunigst nach unten verschwinden!“

„Unwetter? Auja, ich will Blitze sehn, Blitze sehn!“ rief der blaue Theo.

Die Krähe schüttelte mit dem Kopf und flog zum anderen Turm - in der Hoffnung mehr Gehör zu finden. Siehe da, einige gingen sofort in Deckung. Es dauerte nicht lange, da zogen die großen dunklen Wolken heran, einige leuchteten rot von der untergehenden Sonne. Gänseblümchen kaute nervös an den Fingern, aber irgendwie sah es schon faszinierend aus und doch unheimlich. Dann hörte man das erste dumpfe Grollen und der Wind wurde kräftiger.

„Das gibt bestimmt einen ganz schönen Bums“, rief der blaue Theo. „Vielleicht schlägt auch mal wieder ein Blitz ein, das hab‘ ich vor vielen Jahren schon einmal 11 erlebt. Da hat es einen Schornstein getroffen, das hat ganz schön geknallt.“

„Pass auf, dass es nicht mal in dein Oberstübchen einschlägt, du Knalltüte!“, sagte barsch Grummelnuss und die anderen Kobolde pflichteten ihm bei. Schließlich hatte er den Einschlag in den Glockenturm im Jahre 1771 miterlebt und das war wirklich nicht lustig gewesen. Viele Kobolde hatten damals aus Angst vor einem erneuten Einschlag die Liebfrauenkirche verlassen.

Die ersten Blitze zuckten nun über den Himmel und bald darauf begann es zu regnen. Einige Tauben flogen in den Turm und stritten sich mit den Kobolden um die trockensten Plätze. Nur eine freundliche Taubenmutter nahm Klein-Siegfried und Gänseblümchen unter ihre Flügel.

„Gurrr, für euch Kleinen wäre es besser, nach unten zu gehen, das sieht gefährlich aus! Eure Eltern machen sich bestimmt Sorgen“, gurrte sie liebevoll. Das Wetter wurde tatsächlich immer ungemütlicher und es blitzte nun ununterbrochen. Das Gewitter schien von allen Seiten zu kommen und sich über der Stadt zusammenzuballen. Hier schien es sich austoben zu wollen. Der Wind fauchte grimmig. Blätter und lose Gegenstände wurden durch die Luft gewirbelt, da hörte man das Krachen eines herabfallenden Astes und dort das Klirren von Dachziegeln, die auf die Straße fielen. So etwas hatte man schon lange nicht mehr erlebt. Auch die Menschen hockten verängstigt hinter ihren Fenstern und die Hunde verkrochen sich.

„Siggi, ich habe Angst.“ „Ich auch. Das Wetter ist mir zu böse.“

Beide krochen unter den Flügeln hervor, bedankten sich ganz höflich bei der Taube und eilten die Treppen hinab. Doch kaum waren sie auf halber Höhe angekommen, gab es einen heftigen Knall und gleichzeitig erleuchtete ein grelles Licht das Innere des Turmes. „Mama!“, schrie Klein-Siegfried laut und klammerte sich am Geländer fest. Da kamen auch schon die anderen Kobolde den Turm herabgepurzelt und dazwischen die Tauben. Das war ein Durcheinander. Klein-Siegfried sah einen Taubenschnabel auf sich zukommen und plötzlich war dort ein Kobold, dann wieder ein Flügel. Grummelnuss wollte noch 13 nach Klein-Siegfrieds Fuß greifen, doch da stieß er mit einer Taube zusammen, und beide kullerten eng umklammert Stufe um Stufe tiefer. Wie ein großer Ball aus Federn und Staub ging es die Treppe hinunter. Klein-Siegfried klammerte sich immer noch am Geländer fest und schrie: “Mama, Papa!!!!“ Noch nie hatte er solche Angst gehabt. Oben grollte der Gewittersturm und von unten herauf hörte man das Jammern und Stöhnen der anderen.

Dann griff plötzlich eine Hand nach Klein-Siegfried - es war Papa-Kobold - und trug ihn auf dem Arm hinab zum Fuße des Turmes. „Nach Hause, Papa, ich will nach Hause!“, weinte er und merkte gar nicht, dass er bereits in seiner Wohnhöhle angekommen war. Mama-Kobold half ihm, in seinen Schlafstrumpf zu krabbeln.

Wo war eigentlich Gänseblümchen geblieben?

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